Samstag, 18. Dezember 2010

Wort zum Sonntag am Samstag, 18.12.2010




Das Wort zum Sonntag
spricht Pfarrer Michael Broch
aus Leonberg








Hier können Sie den Text nachlesen und - wenn Sie wollen einen Kommentar schreiben:


Die Sache mit dem Warten und sich Vorbereiten

Ich warte sehnsüchtig auf den Brief eines lieben Menschen. Und wieder einmal ist er nicht im Briefkasten. Seit Tagen und Wochen gehe ich dem Briefträger entgegen. Fehlanzeige. Eines Tages winkt er von weitem. Und ich sehe mich schon den lange ersehnten Brief in der Hand halten. Aber es ist ein Schreiben vom Finanzamt. Warten – zwischen Erfüllung und Enttäuschung.

Warten hat mit Geduld zu tun, oft auch mit Frust. Unsicherheiten sind auszuhalten. Manchmal erkenne ich erst im Nachhinein, warum es gut ist, dass etwas eingetroffen ist oder nicht. Also übe ich mich beim Warten in Geduld und lasse mich überraschen.

Und zur großen Überraschung ist in 6 Tagen wieder der 24. Dezember, Heiliger Abend. Der Advent – auf den ich mich jedes Jahr freue – er ist ratzfatz vorbei. Weihnachten kommt einfach immer zu früh. Vor lauter Arbeit, Veranstaltungen und Terminen, vor lauter „lass mich auch mit“ – habe ich es wieder einmal nicht geschafft: mich innerlich auf Weihnachten vorzubereiten, mich für Weihnachten bereit zu machen, den Herrn „mit wachem Herzen gläubig zu erwarten“ – wie es in einem Adventsgebet heißt.

Ich möchte Sie beruhigen, wenn Sie es auch mal wieder nicht geschafft haben, das mit der inneren Vorbereitung und der frohen Erwartung. Ich frage mich nämlich: Liegt das nur an mir, an Ihnen? Oder liegt das vielleicht am Weihnachtsfest selbst? - Dass ich nie wirklich vorbereitet bin, sondern schließlich halt irgendwie hinein stolpere.

So ähnlich war es doch schon beim ersten Mal, vor 2000 Jahren, als Jesus geboren wurde. Seit Jahrhunderten ist dieses Kind verheißen und erwartet. Und als es geboren wird, kommt es für alle ungeschickt, unerwartet. Ausgerechnet jetzt, wo alle mit der römischen Volkszählung beschäftigt sind, wie es in der biblischen Weihnachtsgeschichte steht. Und so unpassend, unterwegs, in einer ärmlichen Unterkunft, in einem Stall bei Ochs und Esel und Schafen.

Ich stelle mir vor: Wenn Gott gewartet hätte, bis wir wirklich auf sein Kommen vorbereitet sind, bis wir ihn wirklich froh und gläubig erwarten – dann müsste er womöglich heute noch warten.

Mich tröstet, mich entlastet, dass Gott so ganz anders ist. Er kommt einfach wie ein lieber Besuch und klingelt an der Tür, auch wenn ich gerade gar nicht darauf eingestellt bin. Liebende kommen manchmal auf verrückte Ideen, um zu zeigen, wie sehr sie uns lieben.

Der Gott der Liebe wird ein Mensch unter Menschen. So sehr sehnt er sich danach, uns nahe zu sein. Der Abstand zwischen dem ewigen, unbegreiflichen Gott und uns sterblichen Menschen – mag dieser Abstand auch noch so groß sein – in der Liebe ist er überwunden. In der Liebe kommt Gott auf Augenhöhe zu uns. Der starke Gott macht sich verletzlich wie ein Liebender, bedürftig wie ein Mensch, sterblich wie jedes Geschöpf.

Zum Glück oder besser Gott sei Dank wird es immer wieder Weihnachten – völlig unabhängig davon, ob es mir geschickt ist oder nicht.

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