Das Wort zum Sonntag
am Samstag, 13. Februar 2010
am Samstag, 13. Februar 2010
sprach Pfarrer Michael Broch aus Leonberg.
Michael Broch wollte werben für mehr freudige Gelassenheit im Sport, bei der Fasnet oder im Karneval - und nicht zuletzt beim Glauben... Aber dann verunglückte in Whistler ein Rodel-Fahrer tödlich; Michael Broch ging mit einem neuen Wort noch einmal ins Studio.
Hier ist der Text zum Nachlesen:
Das Leben geht weiter – aber wie?
Winter-Olympiade in Vancouver. Heute Nacht war die feierliche Eröffnung, eine faszinierende Show. Doch zur Vorfreude kam das Entsetzen. Der tödliche Unfall des 21-jährigen Rennrodlers Nodar Kumaritaschwili aus Georgien überschattet die Olympischen Winterspiele. Er war mit 144 Stundenkilometer aus der Bahn geschleudert worden und gegen einen Stahlpfeiler geprallt. Ein Trainingsfehler, bei dem es für ihn keine Überlebenschance gab. Der Schock sitzt tief.
Hatte man verdrängt, dass diese Rodelbahn die schnellste und wohl auch die gefährlichste ist? Hatte man in den Wind geschlagen, dass Experten schon lange vor dieser Bahn gewarnt haben? Schon mehrere Sportler waren auf ihr gestürzt.
Mir fällt es wie Schuppen von den Augen: Der Sport ist längst nicht mehr frisch, fromm, fröhlich, frei, wie es einst Turnvater Jahn formuliert hat. Sportler stehen heute unter dem Zwang zur absoluten Leistung. Beim Skirennen z. B. geht es um Tausendstelsekunden. Wer kann sich darunter noch etwas vorstellen?
Maßlose Ansprüche treiben Profisportler sogar in die Depression, zum Burnout, ins Hungern bis zum Geht-nicht-mehr, sogar in den Suizid. Und hier stirbt ein junger Sportler durch einen Fahrfehler – wie es heißt – auf einer extrem schwierigen Bahn. Und wird zum ersten Todesopfer bei Olympischen Winterspielen.
Gefährliche Grenzsituationen, die mich innehalten lassen. Mein Mitgefühl gilt der Familie, den Freunden, den Teamkameraden.
Die dreistündige Eröffnungsfeier stand auch ganz im Gedenken an den verstorbenen Sportler. Begleitet vom Tanz und den Trommeln der Nachfahren von Kanadas Ureinwohnern. Ein Kommentator bezeichnete den anhaltenden Trommelwirbel als "Herzschlag des Lebens".
Für mich auch ein Zeichen dafür, dass sich die Spiele nicht aufhalten lassen. Das Leben geht weiter, muss weiter gehen. Bis hin zu Fasnet, Fasching, Karneval in diesen Tagen – so wie wenn nichts gewesen wäre.
Natürlich, man kann nicht immer und überall mitfühlen, mittrauern. Der Tod unterbricht unseren Lebensalltag, unsere Planungen mit gnadenloser Regelmäßigkeit. Vor vier Wochen zweihunderttausend Tote auf Haiti und gestern einer in Vancouver. Ich möchte um Gottes Willen nicht Tote in Zahlen verrechnen. Denn mit jedem Toten stirbt eine Welt. Darum möchte ich nicht einfach nur weiter machen, bei aller Freude auf diese Olympischen Winterspiele.
Mir ist wieder bewusst geworden, wie zerbrechlich das Leben ist. Mir ist aber auch der Glaube wichtig, und das nicht nur bei solch tragischen Ereignissen. Ich hoffe, dass mir mein Gottvertrauen dabei hilft, dass die vielfältigen Zumutungen des Lebens erträglich bleiben. Und ich wünsche all den Menschen, die einen Toten zu betrauern haben, einen Glauben, der sie nicht in ihrer Trauer verlieren lässt. Und ich wünsche ihnen Menschen an der Seite, die ihnen eine Stütze sind.
Die ersten Wettkämpfe dieser Olympiade sind jetzt gleich hier im Ersten zu sehen. Die Olympischen Winterspiele werden ihren geplanten Verlauf nehmen. Aber die Sportverantwortlichen werden sich fragen müssen: Wie schließen sie es aus, dass Sport lebensgefährlich wird? Und wie kann der Leistungs- und Profisport menschlich bleiben?! Denn für mich steht außer Frage: Sport ist nicht nur ein Geschäft und ein Ringen um Ruhm und Erfolg. Sport ist etwas Lebenswichtiges, gesund für Leib und Seele. Er schafft Bewegung und Begegnung. Er lässt Atem holen und unterbricht den oft gnadenlosen Kreislauf unserer Arbeitswelt. Er darf nur selber nicht gnadenlos werden, nicht gefährlich, gar lebensgefährlich für Leib und Seele.
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