Samstag, 17. April 2010

Gehalten in der Angst vorm Untergang



Pfarrer Gereon Alter spricht über ein Taufritual, das schon die ersten Christen kannten. Sie tauchten die Täuflinge ganz im Wasser unter und hoben sie dann wieder "aus der Taufe heraus". Ein Bild für Gott, der seine Arme ausstreckt, wenn uns das Leben zu entgleiten droht.

Das ist die kleine Antonia. Ich habe sie in der Osternacht getauft. Auf eine ungewöhnliche Weise, wie Sie sehen. Ich habe ihr nicht ein paar Tröpfchen Wasser über den Kopf gegossen, sondern sie ganz in das Taufbecken eingetaucht. Bis zum Hals hat ihr das Wasser einen Augenblick lang gestanden. Auch wenn wir es etwas angewärmt haben und ich natürlich sehr vorsichtig war: ganz geheuer war der Kleinen das nicht. Und auch in der Gemeinde haben viele den Atem angehalten: Wird sie schreien? Wird sie weinen? Nein. Es war mucksmäuschenstill in der Kirche.
Doch dann, als ich sie wieder herausgezogen und ihrer Mutter übergeben habe ... schauen Sie mal, wie sie da aussieht. Und auch wie die Erwachsenen schauen. Soviel Erleichterung und Freude habe ich schon lange nicht mehr in unserer Kirche gesehen. Die Leute haben einander angeschaut, gelacht und der Kleinen kräftig applaudiert. „Das war ja eine Taufe! Das haben wir so noch nicht erlebt.“ hieß es nachher beim Osterempfang.
Einige haben nachgefragt, warum ich das Kind denn so getauft hätte. Ich habe ihnen erklärt, dass das in der frühen Kirche immer so war. Dass die ersten Christen nur auf diese Weise getauft worden sind: durchs Eintauchen oder sogar Untertauchen. Was mir daran viel besser gefällt als an dem heute oft üblichen Tröpfelritus ist: dass eigentlich da erst richtig deutlich wird, um was es bei der Taufe geht: nämlich um die Angst, ich könnte untergehen. Und um die Erfahrung: es hält mich einer.

Die Taufe ist kein Kinderspiel. Sie hat mit unserer Lebenswirklichkeit zu tun. Und zu der gehört die Angst vorm Untergang. Am deutlichsten wird das am Ende des Lebens, wenn wir es mit der Todesangst zu tun bekommen. Aber auch vorher schon machen wir doch immer wieder die Erfahrung, dass unser Leben gefährdet ist, dass es keine hundertprozentige Sicherheit gibt, ja auch, dass wir selber versagen und scheitern können und damit womöglich das Leben anderer gefährden.

Die ersten Christen haben das offenbar sehr ernst genommen, wenn sie ein solches Taufritual entwickelt haben. Sie haben dem Täufling und der ganzen Gottesdienstgemeinde zugemutet, sich der Endlichkeit und auch der Brüchigkeit ihrer Existenz zu stellen. Die Angst vor dem Abgleiten auszuhalten. Der Möglichkeit des Untergangs ins Auge zu sehen. So sind wir Menschen. Das ist unsere Lebenswirklichkeit. Daran haben sie sich nicht vorbeigemogelt. Das haben sie nicht schnell überspielt. Sie haben es ernst genommen und ausgehalten.

Und ich glaube, dass man ihnen gerade deshalb auch das andere abgenommen hat: dass sie sich in ihrer Angst gehalten fühlen. Dass da ein Gott ist, der seine Arme ausstreckt, wenn uns das Leben zu entgleiten droht. Sie haben diesem Gott zugetraut, dass er aus einem „alten“ Menschen einen „neuen“ schaffen kann, aus einem ängstlichen einen zuversichtlichen, aus einem gescheiterten einen geläuterten, aus einem verlorenen einen geretteten.
Wenn ich auf einen solchen Gott vertraue, muss ich das Abgründige und Brüchige meines Lebens nicht vertuschen und überspielen. Ich kann dazu stehen und neu beginnen. Was für eine Perspektive! Für mich, für die Kirche und vielleicht ja auch für Sie. Einen gesegneten Sonntag Ihnen.

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2 Kommentare:

  1. Die Kirche gewinnt das Vertrauen von Menschen gewiss nicht dadurch zurück, indem sie das Untertauchen von Menschen propagiert. Von solchen Erfahrungen und Erlebnissen durch kirchliche Würdenträger berichten ja gerade immer mehr Menschen, die durch kirchliches "Waterboarding" seelisch zerstört wurden. Viele haben auch Selbstmord begangen. Und unzählige Priester-Kinder sind nach der Geburt getötet anstatt getauft worden.
    In Bremen gab es den Brechmittelskandal: ein Mann wurde von einem Arzt und vielen Beteiligten in Polizei"gewahrsam" durch gewaltsames Waterboarding getötet.
    Es gibt leider viel zu viele Menschen, die sich zum Gott aufspielen und sich auch von der Kirche dazu benutzen lassen und meinen, sie hätten das Recht, über Leben und Tod von Menschen entscheiden und in deren Leben hineinmanipulieren und -inszenieren zu können mit katastrophalen Konsequenzen, Existenzzerstörung, gesundheitlichen Dauerschäden, Tod und Selbstmord.

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  2. Es muss erst einmal eine Veränderung statt finden, bevor man von einem Neubeginn sprechen kann.

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