Eigentlich wollte ich heute Abend über das Miteinander-Reden - reden. Dann die schlimme Nachricht, die einem zunächst die Sprache verschlägt: Der polnische Staatspräsident Lech Kaczynski und mit ihm an die hundert Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in Polen sind beim Absturz der Präsidentenmaschine ums Leben gekommen.
Das hat unser Nachbarland ins Mark getroffen. Es herrschen Entsetzen, Fassungslosigkeit und Trauer. Und wir hier in Deutschland fühlen mit den Menschen in Polen und beten für die Opfer und ihre Angehörigen.
Es ist schwer Worte zu finden in solch schrecklichen Situationen und oft ist es auch besser zu schweigen. Aber das Reden, das Klagen und Fragen gehört zum Menschsein und gerade auch zur Verarbeitung von schrecklichen Erfahrungen. Und ab einem bestimmten Zeitpunkt muss man vielleicht sogar reden. Um Erschütterungen, Verletzungen und Trauer behutsam überwinden zu können – so schwer dieser Weg auch ist.
Wie wichtig es ist, diesen Weg zu gehen, das zeigt auch die belastete Geschichte unserer beiden Völker. Nach einem langen und mühevollen Prozess können wir heute von Versöhnung sprechen - zwischen dem polnischen und dem deutschen Volk. Weil Menschen aus allen politischen, kirchlichen und gesellschaftlichen Bereichen miteinander geredet haben.
Auch wenn das oft schwer fällt, sollten wir es immer wieder probieren, miteinander zu reden: mit dem Ehepartner, mit den Kindern, unter Arbeitskollegen.
Und nicht zuletzt auch bei den nicht enden wollenden Missbrauchsfällen ist es so wichtig zu reden. Weil es für die Frauen und Männer befreiend ist, endlich reden zu können, wenn sie als Kinder oder Jugendliche missbraucht worden sind. Nach 30 und mehr Jahren endlich reden können. Das Schweigen brechen, das sie jahrzehntelang belastet hat und eine Sprache finden, über schrecklichen Erfahrungen zu reden.
Es ist wichtig, dass Menschen die traumatisiert sind oder Menschen die trauern eine Stimme bekommen. Und das heißt auch, dass sie Gehör finden. Zuhören können ist eine wichtige Voraussetzung dafür. Gut hin hören, anteilnehmend hören – das ist die Grundlage jeden guten Gesprächs.
Der Benediktiner Pater Anselm Grün hat das einmal so gesagt: “Im Gespräch treten wir in das Heiligtum des anderen ein”. Das Heiligtum des anderen, darunter verstehe ich die Seele, dieser innerste Raum eines Menschen, der so kostbar ist und so verletzlich. Dieser Raum, der durch Unachtsamkeit oder Rücksichtslosigkeit so schnell zerstört und unbewohnbar gemacht werden kann. Dieser Raum, der Ruhe, Vertrautheit und Geschütztheit braucht, um behutsam betreten zu werden.
Wenn so reden und einander zuhören möglich ist, dann kann das dazu beitragen, dass der zerstörte Raum wieder bewohnbar wird und die verletzte Seele wieder heil. Dann kann dieses Reden dazu beitragen, dass die Menschen - nach und nach - wieder aus ihrer Trauer und ihren Verletzungen heraus finden und wieder wagen zu leben und zu lieben.
Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.
AntwortenLöschenDer Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.
AntwortenLöschen