Samstag, 2. Oktober 2010

Wer die Einheit will, muss teilen lernen!


20 Jahre deutsche Einheit: Auch das „Wort zum Sonntag“ geht auf den Jahrestag ein. Pastoralreferentin Verena Maria Kitz spricht am Vorabend des 3. Oktober darüber, wie wichtig das Teilen für das ungeteilte, geeinte Deutschland in den letzten zwanzig Jahren war – und wie wichtig es immer noch ist.

Im geeinten Deutschland feiern wir Geburtstag – 20 Jahre deutsche Einheit! Das, finde ich, ist Grund dankbar zu sein und sich zu freuen: Seit 20 Jahren können wir alle in dem einen Deutschland in Frieden und Freiheit leben. Und ich bin - auch als Christin - dankbar, in einem Land zu leben, dessen Grundgesetz mit diesem Satz beginnt: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Die Würde eines jeden Menschen, egal, was er hat oder leistet, welche Hautfarbe, Religion, welche politische Meinung er hat. Für diese Würde, diese Freiheit haben Menschen an der Mauer ihr Leben gelassen.
20 Jahre Einheit – doch ungetrübt ist die Freude darüber nicht! Der Festtag fällt in eine Zeit, in der viel gestritten wird in Deutschland um Sparbeschlüsse und soziale Gerechtigkeit. Wie steht es um die Einheit in unserem Land? Viele befürchten neue Mauern zwischen Arm und Reich, zwischen Ost und West.
Richard von Weizsäcker, der damalige Bundespräsident, hat zum Tag der deutschen Einheit vor 20 Jahren gesagt: „Sich vereinen, heißt teilen lernen!“ Das hat er uns Deutschen damals ins Stammbuch geschrieben. Wer die Einheit Deutschlands will, muss das Teilen lernen.
Wie steht es damit heute?
Teilen, das hat schwierige und schöne Seiten, das haben wir Deutschen gemerkt in diesen 20 Jahren. Wir alle mussten was hergeben für die Wiedervereinigung: Arbeitsplätze, viel an Sicherheiten und liebgewordenen Traditionen, daran knabbern im Osten viele bis heute.
Im Westen haben viele gestöhnt über den Solidaritätszuschlag für den Aufbau Ost.
Zugleich genießen wir, was wir gewonnen haben durch die Wiedervereinigung: Wir können frei nach Osten oder Westen reisen, Beziehungen zu Verwandten und Freunden pflegen. Wir können in aller Freiheit unseren Glauben leben. Und nicht zuletzt können wir sicher sein: Wir leben alle unter dem Schutz des Grundgesetzes, das jedem das Recht auf ein menschenwürdiges Leben garantiert.
Wenn es einigermaßen gerecht zugeht, dann heißt Teilen Geben und Nehmen – so, dass keiner leer ausgeht. Genau darum wird jetzt gestritten in Deutschland: Wer muss wie viel geben, wer darf wie viel nehmen? Was darf es kosten, das Existenzminimum? Wer steht ein für die Schulden Deutschlands? Wer die Einheit will, muss teilen lernen. Ich finde, das gilt auch jetzt in der aktuellen Debatte: Die Last der Schulden darf nicht nur den Schwachen aufgebürdet werden. Auch Menschen mit hohem Einkommen müssen ihren Beitrag leisten, damit wir alle gemeinsam für die Einheit in Deutschland einstehen.
Teilen ist nicht leicht, es lebt vom Geben und Nehmen. Umso wichtiger ist, dass wir es immer wieder tun. Das wünsche ich uns in Deutschland, so paradox es klingt: Dass wir das Teilen weiter lernen, damit Deutschland immer mehr ein geeintes Land wird.

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